Bürgermeister Klaus Luger und SPÖ-Fraktionsvorsitzender Stefan Giegler:
„Wertvolle Zeit geht durch Ankündigungspolitik verloren, Vertrauen in eine erfolgreiche Klimawende sinkt“
Geht es nach der schwarz-grünen Bundesregierung, so liegen viele Ziele und Pläne für die künftige Klimapolitik des Landes auf dem Tisch: Klimaneutralität bis 2040, Strom aus erneuerbarer Energie bis 2030, Unabhängigkeit von Russlands Gas oder auch ein Dekarbonisierungsplan für die Industrie. Trauriger Fakt ist: Österreich besitzt seit 31. Dezember 2020 kein eigenes Klimaschutzgesetz, die Treibhausgasemissionen sind seit den 1990er Jahren nicht gesunken. Die heuer präsentierte Wasserstoff-Strategie des Bundes ist explizit nicht geeignet, um den Transformationsprozess unserer Industrie zeitgerecht bewältigen zu können. Deshalb fordert der Linzer Bürgermeister Klaus Luger einmal mehr eine Förderung von einer Milliarde Euro für den Aufbau einer heimischen Wasserstoff-Industrie, um die Abhängigkeit von Importen zu reduzieren.
„Industrie und gewerbliche Wirtschaft sind bereit, ihren Beitrag zum Klimawandel zu leisten. Sie befinden sich allerdings seit geraumer Zeit in einer Warteposition“, betont Bürgermeister Klaus Luger. Kein Wunder also, dass sich neben Umweltorganisationen und Klima-Expert*innen auch immer mehr Manager und Wirtschaftstreibende mit Kritik nicht mehr zurückhalten.
„Es gibt Wünsche und es gibt Schlagzeilen. Dahinter stehen jedoch kaum konkrete Pläne und zu wenig Beschlüsse“, betont SPÖ-Fraktionsvorsitzender Stefan Giegler. Die Versäumnisse in der Klimapolitik der schwarz-grünen Bundesregierung werden mit jedem Tag mehr, eine Besserung der Lage zeichnet sich aktuell nicht ab.
„Durch die dauerhafte Ankündigungspolitik, der kaum Taten folgen, geht wertvolle Zeit für den Klimawandel verloren. Die Bevölkerung verliert dadurch das Vertrauen, dass eine Wende noch rechtzeitig erfolgen kann“, sind sich Bürgermeister Luger und SPÖ-Fraktionsvorsitzender Giegler einig. Im Gegensatz zum Bund seien Linzer Unternehmen, allen voran die Voestalpine und die Linz AG bei der Energiewende vorbildlich.
Versäumnisse der Bundesregierung in der Klimapolitik: Viele Wünsche für die Zukunft, konkrete Ausgestaltung fehlt
Bilanz der Regierung: Es gibt mehr Versäumnisse als Pläne
„Betrachtet man die Bilanz der Regierung in der Klimapolitik, so stellt man rasch fest, dass es mehr Versäumnisse als Pläne, mehr Wünsche als konkrete Vorhaben gibt“, betont Gemeinderat Stefan Giegler.
Versäumnis 1: Klimarelevante Subventionen
Im März 2021 haben sich die Regierungsparteien in einem Entschließungsantrag anlässlich des Klimavolksbegehrens selbst dazu aufgefordert, eine Auflistung klimaschädlicher Subventionen bis Juli 2021 vorzulegen. Erst Ende 2021 hat das Klimaministerium eine externe Stelle beauftragt, eine solche zu erarbeiten. Vermutlich wird auch dieser Auftrag unter den 9 Millionen Euro zu subsummieren sein, die Bundesministerin Gewessler für externe Beratungsleistungen im Vorjahr ausgegeben hat.
Versäumnis 2: Energie-Effizienz-Gesetz
Es gibt nach wie vor kein neues Energie-Effizienz-Gesetz. Das alte ist bereits Ende 2020 ausgelaufen. In einem derartigen Gesetz sollte geregelt werden, wie der Energieverbrauch in Österreich gesenkt werden kann.
Versäumnis 3: Aktualisierter Energieplan
Es gibt ebenso keinen aktualisierten Nationalen Energie- und Klimaplan. Der letzte stammt aus 2019, also aus den Federn von ÖVP und FPÖ. Umweltorganisationen und die Europäische Kommission kritisieren zudem diesen Plan als antiquiert. Es gibt, so die Bewertung, keine operativen Schritte, um die Abhängigkeit von Kohle, Öl und Gas zu beseitigen. Die Beiträge zur Energie-Effizienz sind „äußerst bescheiden“. Maßnahmen für die Landwirtschaft oder auch die Abfallwirtschaft fehlen komplett. Nach fast drei Jahren ÖVP-Grüne-Regierung gibt es aktuell keinerlei Anzeichen dafür, dass dieser Energie- und Klimaplan überarbeitet wird.
Versäumnis 4: Klimaneutralität
Dieses zentrale Ziel taugt bislang bestenfalls als Überschrift. Obwohl das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 als der grüne Verhandlungserfolg im Regierungsprogramm verkauft wird, gibt es seit rund 700 Tagen kein wirksames Klimaschutzgesetz, das den Pfad zur versprochenen Klimaneutralität 2040 aufzeigt.
Versäumnis 5: Erneuerbares-Wärme-Gesetz
Die zukünftige Produktion von Wärme stellt klima- und energiepolitisch eine große Herausforderung dar. Im sogenannten Erneuerbares-Wärme-Gesetz wäre festzulegen, wie besonders in Bezug auf die Raumwärme – sei es bei Wohnungen oder auch Betriebsgebäuden – ein Ausstieg aus Öl und Gas bewältigbar wäre. Das Gesetz liegt seit Monaten als Entwurf bei den beiden Koalitionsparteien, ohne an den Nationalrat weiter geleitet zu werden. Einen Antrag im Nationalrat, der den Einbau von Gasheizungen in Neubauten ab 2023 unterbinden wollte, haben die Regierungsparteien – im Einklang mit der FPÖ – abgelehnt.
Versäumnis 6: Wasserstoffstrategie
Die von der Bundesregierung beschlossene sogenannte Wasserstoff-Strategie sollte einen weiteren Baustein für eine erneuerbare Energiewelt setzen. Dieser ist jedoch vorerst überschaubar klein und wird nicht ausreichen, um eine tatsächliche Trendwende zu erreichen. Im Gegensatz zu Deutschland, Schweden und den Niederlanden hat Österreich die strategische Bedeutung des Wasserstoffs für die Industrie nicht erkannt. Wettbewerbsnachteile für unsere Top-Unternehmen werden von ÖVP und Grünen in Kauf genommen.
Wasserstoff-Strategie fehlt: Neue Abhängigkeiten, kein nationaler Plan – Bund soll 1 Milliarde für Wasserstoff-Förderung zur Verfügung stellen
Konkret geht es bei der österreichischen Wasserstoff-Strategie darum, 80 Prozent des bisher bereits in Österreich verwendeten „grauen“ Wasserstoffs durch „grünen“ Wasserstoff zu ersetzen. Grüner Wasserstoff braucht für die Elektrolyse Ökostrom aus erneuerbaren Energien. Bis 2023 soll deshalb eine Produktionskapazität mit einer Leistung von einem Gigawatt in Österreich installiert werden. Damit könnte jedes Jahr Wasserstoff in einem Ausmaß von vier Terawattstunden produziert werden. Anmerkung: Derzeit importiert Österreich pro Jahr noch 63 Terawattstunden Gas aus Russland. Nicht angedacht sind in der österreichischen Wasserstoff-Strategie die Nutzung von Wasserstoff für viele andere angedachte Pläne, wie etwa für Langstreckentransporte oder für die Nutzung in Haushalten, um geringe Wärmeleistungen zu erzeugen.
Die Anstrengungen für die Produktion sollen laut Bundesministerin Gewessler aus der Wirtschaft kommen, eine staatliche Versorgungsstrategie lehnen die Grünen ab. Die vom Bund in Aussicht gestellten 500 Millionen Euro für die kommenden acht Jahre sind lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Abhängigkeit vom Ausland durch Importe wird von der Bundesregierung in Kauf genommen. Die Verhandlungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Tunesien führen dazu, dass anstelle Russlands diese Staaten die Energieabhängigkeit Österreichs dominieren.
Zur weiterhin unsicheren Gas-Versorgung meinte Gewessler übrigens: „Es ist klar, wenn kein Gas mehr kommt, dann müssen wir den Verbrauch reduzieren“. Mit dem Satz „Brot vor Stahl“ untermauert die Grüne Ministerien ihre geringe Wertschätzung gegenüber der österreichischen Industrie. Diese strategielose Politik akzeptiert die Folgen von Produktionsausfällen, konjunkturellen Einbrüchen und Kurzarbeit.
Schnellere Behördenverfahren für den Ausbau erneuerbarer Energien werden von Bundesministerin Gewessler blockiert
Die Novelle zum UVP-Gesetz, mit der der Ausbau erneuerbarer Energie rascher möglich sein soll, lässt weiter auf sich warten. Berechtigterweise wird dadurch auch Kritik seitens der Wirtschaftstreibenden laut. Siemens-Chef Wolfgang Hesoun beispielsweise meinte: „Man tut sich schwer, die Machbarkeit zu erkennen“. Noch im Juni äußerte weiters Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner seinen Unmut gegenüber Journalist*innen: „Es ist höchste Zeit, in die Gänge zu kommen“. Und: „Wir brauchen ein Gesamtkonzept für die langfristige Versorgung mit Strom und Wasserstoff.“ Man sei ja durchwegs bereit, die Energiewende mitzutragen, aber Konzepte und Beschlüsse der Regierung fehlten aus Sicht des Voestalpine-CEOs „schlicht und einfach“.
Linzer Wirtschaft vorbildlich bei Energiewende
Initiativen der Linzer Wirtschaft
„Die heimische Industrie und die ansässigen Betriebe stehen in den Startlöchern. Sie sind bereit, ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele zu leisten. Ohne die entsprechenden Ressourcen und ohne die politischen Rahmenbedingungen seitens des Umweltministeriums und der Bundesregierung wird die Energiewende nicht gelingen. Diese Verantwortung kann man nicht auf die Betriebe abwälzen“, ist sich Bürgermeister Klaus Luger sicher. Es gibt zahlreiche Beispiele, die den Einsatz und den Willen der Unternehmen belegen.
Beispiel 1: „greentec steel“ der Voestalpine
Dass Voestalpine-CEO Eibensteiner seinen Unmut öffentlich kundtut, ist durchaus nachvollziehbar. Die Voestalpine hat die Weichen für eine umweltfreundlichere Stahlproduktion gestellt. Bereits im März dieses Jahres hat der Aufsichtsrat die Entscheidung für den Umstieg von der kohlebasierten Hochofentechnologie auf die grünstrombetriebene Elektrolichtbogen-Technologie getroffen. Mit „greentec steel“ hat die Voestalpine einen klaren Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion entwickelt und ist bereits startbereit. In der Finanzierung ist der Konzern jedoch aus Wettbewerbsgründen auf die österreichische Bundesregierung angewiesen.
Beispiel 2: Einsatz von Wasserstoff in der Linz AG
Als Versorgungsunternehmen sieht die Linz AG in klimaneutralem Wasserstoff großes Anwendungs- und auch Dekarbonisierungspotenzial. Sie forciert daher die Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie innerhalb des eigenen Unternehmens. Einen wohl historischen Schritt setzte der regionale Energie- und Infrastrukturkonzern vor kurzem mit dem Beitritt zu den Wasserstoff-Netzwerken Hydrogen Austria und WIVA P&G.
Beispiel 3: Fernwärme für Linz
Mit der Errichtung eines „Wärme-Wandlers“ im Kraftwerkspark Linz-Mitte reagierte die Linz AG auf die aktuelle Situation und setzt noch in diesem Jahr den ersten Schritt beim Ausbau ihres Erneuerbaren-Anteils in der Wärmeerzeugung. Die seit den 1970er Jahren laufende Fernwärme-Offensive hat die Luftqualität in Linz enorm verbessert. Rund 72 Prozent der Linzer Wohnungen – ca. 88.000 – sind bereits fernwärmeversorgt. Ziel ist es, zusätzlich rund 2.000 Wohnungen an das Fernwärmenetz anzuschließen.
„Um zu erreichen, bis zum Jahr 2040 im eigenen Wirkungsbereich CO2-neutral zu sein, nimmt die Linz AG als größte Stromproduzentin und Energieversorgerin eine zentrale Rolle ein. Ob Photovoltaik, ob Nutzung biogener Abfälle, ob Reduktion der Gasabhängigkeit, ob Ausbau der Netze – die städtische Linz AG setzt die entscheidenden Akzente in der Umsetzung der städtischen Klimastrategie“, betont Bürgermeister Klaus Luger.
Vertrauensverlust in die Klimapolitik der Bundesregierung
Rund um die Weltklimakonferenz präsentierten die Umweltinitiative „Mutter Erde“ gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation Greenpeace und dem Marktforschungsinstitut Integral die „Klimastudie 2022”. Darin zeigt sich: Für 74 Prozent der Österreicher*innen ist die Klimakrise ein bedeutsames Thema. 86 Prozent der Bevölkerung unterstützen Maßnahmen gegen die Klimakrise. Jedoch ist der allgemeine Optimismus in den letzten zwei Jahren stark gesunken, ebenso auch das Vertrauen in die Klimapolitik der Regierung.
Jedenfalls fänden klimafreundliche Maßnahmen große Zustimmung. So unterstützen drei von fünf Österreicher*innen verpflichtende Energiesparmaßnahmen. Zwei Drittel der Bevölkerung befürworten die Umgestaltung des Steuersystems, sodass klimafreundliches Verhalten belohnt wird. Fossile Energien sind immer unbeliebter: so würden sich aktuell lediglich vier Prozent der Österreicher*innen freiwillig für eine neue Gasheizung entscheiden. Dagegen begrüßt der Großteil der Bevölkerung den Ausbau von Photovoltaik- und Windstromanlagen mit 91 bzw. 81 Prozent. Deutliche Worte dazu fand der Greenpeace-Experte Herwig Schuster: „Eindeutiger kann der Handlungsauftrag an die Politik nicht sein. Die Bundesregierung muss das längst überfällige Klimaschutzgesetz und das Energieeffizienzgesetz endlich auf den Boden bringen.“
Österreich macht im globalen Klimaschutz-Performance-Index (CCPI) Plätze gut, landet aber mit Platz 32 unter 60 untersuchten Ländern weiterhin nur im schlechten Mittelfeld. Die Umweltschutzorganisation WWF fordert daher sowohl die Bundesregierung als auch die neun Landesregierungen zum Beschluss der überfälligen Maßnahmen auf: „Die Bundespolitik muss sich vom Schein-Klimaschutz verabschieden und eine grundlegende Wende starten. Nur so kann Österreich auch bei internationalen Klimakonferenzen glaubwürdig auftreten“, sagt WWF-Klimasprecher Thomas Zehetner. Österreichs Ranking-Performance leidet seit Jahren unter dem Stillstand bei wichtigen Gesetzen sowie dem viel zu hohen Energie- und Flächenverbrauch.