Rede des SPÖ-Fraktionsvorsitzenden Stefan Giegler zur aktuellen Stunde am 3. November 2022 im Linzer Gemeinderat:
Aktuelle Situation Asylwerber:innen in Linz. Rückkehr zur Zusammenarbeit zwischen Land, Städten und Gemeinden bei der Suche nach Unterkünften für Geflüchtete.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben als Sozialdemokratische Fraktion im Linzer Gemeinderat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil wir davon überzeugt sind, dass wir als Landeshauptstadt und Friedensstadt dringend über die aktuelle Situation von Asylwerber*innen reden müssen. Nämlich über das Versagen in der Asyl- und Migrationspolitik der schwarz-grünen Bundesregierung, das sich weiterzieht in ein Versagen der schwarz-blauen Landesregierung in Oberösterreich.
Hintergrund unseres Antrags ist das Vorgehen der OÖ. Landesregierung, wonach künftig die Errichtung von Massenquartieren ermöglicht wird. Mit den Ausschreitungen in der Halloween-Nacht ist ein tragischer zusätzlicher Anlassfall hinzugekommen. Einer, der einmal mehr das Versagen der ÖVP-Migrationspolitik der vergangenen Jahrzehnte deutlich macht.
Warum traue ich mich, das so direkt zu sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren?
Dass jetzt wieder bundesweit Zelte für Asylwerber*innen aufgestellt werden, ist eine Bankrotterklärung des Innenministeriums und der türkis-grünen Asylpolitik auf Bundesebene. Es ist ein perfides Spiel mit einer Symbolpolitik, das für die Asylwerber*innen unmenschliche Bedingungen schafft, die Integration vor Ort unmöglich macht und die Gemeinden und Städte vor den Kopf stößt. Denn mit den letztgenannten hat die Bundesregierung nicht einmal das Gespräch gesucht, nur um die Zelte rascher errichten zu können.
Und wenn ich davon spreche, dass Integration so nicht gelingen kann, dann zeigen sich die fatalen Folgen einer ÖVP-Zuständigkeit für Integration in den Ausschreitungen. Seit 22 Jahren stellt die ÖVP die Minister für Inneres. Die permanent formulierte polemische Ankündigung der Schließung der Balkan-Route und die Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration sind in der Praxis scheinbar nicht die richtigen Aktivitäten.
Junge Männer, vorwiegend mit Migrationshintergrund, liefern sich mitten in unserer Stadt eine Straßenschlacht mit der Polizei. Die Motive: Perspektivenlosigkeit, keine Zukunftschancen, Langeweile, Cool-sein-Wollen. Diese Motive sind nicht schönzureden, die Unruhen nicht wegzureden und das Verhalten der jungen Männer nicht zu rechtfertigen. Krawalle haben in unserer Stadt keinen Platz. In Linz gibt es Null-Toleranz gegenüber Gewalttätigen, egal welche Motive diese haben.
Was man aber auch nicht schönreden kann ist, dass das in Summe die Auswirkungen einer katastrophalen Integrations- und Asylpolitik der Bundesregierung sind.
Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion bedanke ich mich explizit für das umsichtige Vorgehen und den professionellen Einsatz der oberösterreichischen Polizei. Auf die längst überfällige Personalaufstockung möchte ich an dieser Stelle nicht extra eingehen.
Und was macht in Zeiten wie diesen die OÖ. Landesregierung? Sie plant ein rascheres Vorgehen bei der Unterbringung von Asylwerber*innen. Auf Landesebene haben ÖVP und FPÖ eine Novelle des Unterbringungs- und Sicherheitsgesetzes im Landtagsausschuss beschlossen. Durch die Novelle fällt nicht nur die Obergrenze von 100 Personen pro Unterkunft, der für Integration zuständige Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer kann nun per Verordnung in Gemeinden und Städten Massenunterkünfte errichten lassen. Eventuelle Bedenken muss sich damit der zuständige Landesrat nur anhören, er muss aber nicht darauf eingehen. Das politische Vorgehen, Großquartiere gegen den Willen von Gemeinden und Städten durchsetzen zu wollen, ist ein deutliches Zeichen des Versagens der Landesregierung. Man hat damit den erfolgreichen Weg der Zusammenarbeit verlassen.
Meine Damen und Herren, verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Denn anders als manche Fraktionen in diesem Haus sind wir schon davon überzeugt, dass Geflüchtete in unserer Stadt Zuflucht bekommen müssen und wir ermöglichen das auch. Wir stehen alleine aufgrund unserer Geschichte zu der menschenrechtlichen Verpflichtung, jenen zu helfen, die Hilfe benötigen.
Wir kommen unserer Verpflichtung nach, Integration in unserem Land und besonders in unserer Stadt zu ermöglichen. Mit der Einrichtung des Linzer Integrationsbüros und des Integrationsressorts waren und sind wir Vorreiter. Integrationsarbeit braucht Ressourcen und Geld. Aber das kann die Stadt Linz nicht allein stemmen.
Wenn heute die Linzer ÖVP einen Dringlichkeitsantrag stellt, in dem wiederum die Stadt Linz aufgefordert wird, Maßnahmen zu setzen, dann müssen Sie mir die folgenden Fragen schon gestatten: Wer ist auf Landesebene zuständig für Integration? Richtig, die ÖVP. Wer ist auf Bundesebene zuständig für Integration? Richtig, ebenfalls die ÖVP. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linzer Volkspartei. Ich ersuche Sie dringend, klären Sie das mit ihren Parteikolleg*innen auf Bundes- und Landesebene. Sie sind aufgefordert zu handeln, und zwar rasch und sofort. Misslungene Integration ist kein Linz-spezifisches Thema, so wie auch die randalierenden Jugendlichen nicht allein Linzer Jugendliche sind. Die Herausforderung müssen wir gemeinsam angehen, eine polemische Parteipolitik hilft niemandem. Gestatten Sie mir daher, unsere konstruktiven Positionen zu verdeutlichen:
- Es braucht schnellere Asylverfahren: Denn eines ist klar: Es ist längst an der Zeit, die Fehler im Asylverfahren zu beheben. Die jahrelang andauernden Verfahren führen zu Unsicherheit und Perspektivenlosigkeit. Darüber hinaus müssen Menschen bei positiv verlaufenden Verfahren umgehend Integrationskurse besuchen und absolvieren. Je rascher ein Verfahren abgeschlossen werden kann, desto eher besitzen asylsuchende Personen die Möglichkeit, die Regeln und Normen, Rechte und Pflichten in Österreich kennenzulernen. Unabhängig davon sollten bereits während der Asylverfahren stärker integrationsfördernde Maßnahmen gesetzt werden.
- Wir verwehren uns gegen Massenquartiere und die Unterbringung in Zeltlager: Denn Integration beginnt nun mal bei der Erstunterbringung. Deswegen verwehren wir uns gegen Massenquartiere und Zeltlager. Diese Art der Unterbringung schafft keine Perspektiven. Sie haben einen fatalen Symbolcharakter. Sie schüren zu Recht Ängste in der Bevölkerung und vermitteln den Geflüchteten das Gefühl, nicht willkommen zu sein. Das wiederum schafft Frustration und Aggression.
- Kleine Quartiere sind der beste Weg – das bestätigen auch die Betreuungsorganisationen. Erst Mitte Oktober haben sich führende Hilfsorganisationen in einem offenen Brief gegen die Zeltlösung ausgesprochen: Ich zitiere: „Niemand will das, und diese menschenunwürdige Unterbringung ist auch absolut vermeidbar“, heißt es in dem unter anderem von Caritas, Diakonie, Rotem Kreuz, Asylkoordination und Volkshilfe unterfertigten Schreiben.
- Übernahme von Verantwortung und gerechte Verteilung: Wir stehen klar zu unserer Verantwortung, Asylwerberinnen und Asylwerber aufzunehmen, aber wir fordern eine gerechte Verteilung in Oberösterreich. Es ist ein Fehlverhalten der Landespolitik, dass OÖ insgesamt nur 77 Prozent der Quote erfüllt. Bevor Bezirke, die schon viel leisten, noch mehr Flüchtlinge aufnehmen, sollte die Quote erst in anderen Bezirken verbessert werden. Und wenn VP-Landesrat Hattmannsdorfer Solidarität innerhalb der EU einfordert, dann fordern wir Solidarität innerhalb von OÖ ein. Da hilft auch das irritierende Spiel mit den Zahlen nicht, das von Landesrat Hattmansdorfer betrieben wird. Denn anstatt die regionalen Zahlen endlich auf den Tisch zu legen, appellierte er – schon fast polemisch – ich zitiere: „nochmals an alle Gemeinden, vor allem auch an die SPÖ-Bürgermeister, uns Quartiere zu melden”, so der Landesrat Mitte Oktober. Herr Landesrat verzichten Sie auf diese entbehrlichen Appelle, insbesondere an die SP-Bürgermeister, Quartiere zur Verfügung zu stellen. Wenn schon ein Appell, dann sollte dieser wenigstens an alle oberösterreichischen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister gerichtet sein. Legen Sie die Zahlen auf den Tisch und spielen Sie nicht damit.
Meine Damen und Herren, wir sind uns bewusst, dass es ein Knochenjob ist, passende Quartiere zu finden – LR Hattmannsdorfer ist dafür verantwortlich, gemeinsam mit den Kommunen und der Bevölkerung vor Ort Lösungen zu finden. Mit der jetzigen Drohkulisse, die Höchstgrenze jederzeit beliebig ändern zu können, tut sich LR Hattmannsdorfer keinen Gefallen – er entzieht sich so seiner Verantwortung und verlässt damit den Weg des Miteinanders.
Und uns ist auch bewusst, dass es ein Knochenjob ist, Integration erfolgreich zu gestalten. Auch hier können sich die zuständigen ÖVP-Minister und –Landesräte nicht ihrer Verantwortung entziehen.
Wir appellieren an die oberösterreichische Landesregierung, wieder zurückzukehren zu einem Miteinander zwischen Land, Städten und Gemeinden, denn nur so kann eine erfolgreiche Asyl-, Integrations- und Migrationspolitik funktionieren.